"Im October vorigen Jahres erließ die Hof-Pianoforte-Fabrik Rud. Ibach Sohn in Barmen ein
Preisausschreiben zur Erlangung eines künstlerischen Gedenkblattes an das hunderjährige Jubiläum
der Firma. In unerwartet großer Anzahl sind die Entwürfe eingelaufen, und nachdem die Preisträger
ihres Amtes gewaltet und in lobenswerther Anerkennung der zahlreichen Beteiligung die Firma selbst
außerdem einen nennenswerthen 4. Preis vergeben hatte, werden jetzt sämmtliche eingelaufenen
Arbeiten in der Düsseldorfer Kunsthalle dem Publikum vorgeführt.
Schreiber nahm Veranlassung, am letztvergangenen Sonntag diese Ausstellung zu betrachten, um zu
sehen, wie jeder der Einsender die genau stipulierte Aufgabe gelöst hatte. Am Bahnhof trafen
unerwarteter Weise im ganzen 8 Herren zusammen, die alle dasselbe Ziel hatten und die sämmtlich
durch ihren Beruft ein ganz besonderes Interesse an der Ausstellung hatten. So kamen wir in Düsseldorf an,
in der besten Stimmung
und in der Erwartung, in dieser Ausstellung ein Sammlung von Gedenkblättern par excellence zu finden.
Wir begannen unsere Wanderung in dem rechten Seitenflügel und bekamen gleich dort den Eindruck,
der uns auch auf der ganzen weiteren Besichtigung der Ausstellung nicht verlassen hat. Der
größte Theil der Einsender hat die gestellte Aufgabe überhaupt nicht begriffen, daher Arbeiten
geliefert, die total unbrauchbar sind. Man soll es nicht für möglich halten, daß eine solche Unsumme
von, gelinde gesprochen, Unsinn da zusammen kommen konnte.
Da gibt es Arbeiten, die unzweifelhaft von tüchtigen Zeichnern, ja Akademikern herstammen,
die aber trotzdem documentiren, daß die Hersteller kaum eine Ahnung haben von den Anforderungen,
die an ein derartiges Blatt gestellt werden müssen, welches in erster Linie der Reclame dienen soll.
In zweiter Reihe sind solche Arbeiten zu nennen, deren Urheber zwar keine Zeichner sind, aber wenigsten doch einen Sinn für Farbengebung haben. Derartige Blätter sind außerordentlich stark vertreten. In noch größerer Anzahl sind aber Arbeiten vorhanden, deren Hersteller weder zeichnen noch malen können. Schließlich kommt eine Reihe von Phantasten , die an
die Begriffskunst des Beschauers so große Ansprüche stellen, daß man sich fragt, was damit eigentlich
gemeint sei. Recht wenige Arbeiten aber sind es, denen man aus voller Überzeugung ein Lob spenden
kann, und diese Arbeiten tragen den Stempel an sich, daß sie zwar nicht von Akademikern stammen, aber
von solchen Leuten, die in solchen Arbeiten bewandert sind und die wissen, was wirkt und was schön wirkt.
Wunderbarerweise war das Urtheil der versammelten 8 Herren ziemlich übereinstimmend, aber
noch wunderbarer Weise stellte es sich heraus, daß sich unter den prämiirten Entwürfen auch noch
kein einziger befand, der auch nur vor einem einzigen dieser Kritiker Gnade gefunden hätte. Wir
aber wurden darüber stutzig und hörten auch nach dem Urtheil anderer Besucher, aber wir haben
keinen gefunden, der mit dem Urtheil der der Jury übereinstimmte.
Einsender hatte sich bei Betrachtung der zahlreichen Entwürfe auf den Standpunkt eines
Preisverteilers gestellt und dabei 2 Entwürfe als die besten sich vorgemerkt, und
charakteristischer Weise stimmten sämmtliche Anwesenden mit seinem Urtheil überein.
Diese beiden Arbeiten sind in den Augen des Einsenders, der als Fachmann in der
Druckausführung von Plakaten sich ein Urtheil glaubt gestatten zu dürfen, gerade durch
die moderne Auffassung und Lösung der gegebenen Aufgaben, durch flotte und elegante
Composition und wirkungsvolles Colorit, besonders dazu geeignet, zu einer
Vervielfältigung zu dienen. Das gilt namentlich von einem Entwurf, der sich in der
Nähe der Prämiirten befindet und der ganz besonders anspricht. Beide Entwürfe sind vor
allen Dingen v e r s t ä n d l i c h, allgemein verständig, was man nicht von allen Prämiirten
sagen kann. Das Erinnerungsblatt ist aber für ein großes Publikum bestimmt und man darf demselben
daher keine Composition vorführen, zu deren Erfassen mehr gehört als eine gute Allgemeinbildung.
Das beansprucht aber der 1. Preis in ganz außerordentlichem Maße.
Leider waren diese Arbeiten, wie schon gesagt, nicht unter den prämiirten.
An dieser Stelle sollen jedoch diese Arbeiten nicht genannt werden, da Einsender hofft,
daß die Firma Rud. Ibach Sohn den Barmer Mitbürgern, die doch ein ganz besonderes Interesse an dieser
Ausstellung haben, Gelegenheit geben wird, die eingesandten Arbeiten hier sehen zu können.
Nach Meinung des Einsenders hat die Ausstellung klar und deutlich bewiesen - und das ist
der schwerwiegendste Punkt - daß die meisten deutschen Künstler, die sich an der
Concurrenz betheiligt haben, gar kein Verständniß haben für die Ansprüche der Industrie,
des Fabrikanten. Dagegen aber, die Verständniß dafür haben und sich betheiligten, fanden
wiederum keine Gnade vor den akademischen Juroren.
Hoffentlich werden die Entwürfe recht bald an hiesigem Platze zur Ausstellung kommen,
und kann es Einsender Jedem nur anrathen, sich diese Sammlung von Concurrenzarbeiten
anzusehen. Es ist hochinteressant zu betrachten, wie jeder Einzelne der Bewerber die
gestellte Aufgabe zu lösen suchte."
Nicht näher gekennzeichneter, undatierter Zeitungsausschnitt im Ibach-Archiv, vermutlich Barmer Zeitung.