Vortrag von Professor Dr. E. Dagobert Schoenfeld. Mit Anmerkungen versehene Neuausgabe durch Florian Speer, nach dem Original von 1904. Erstdruck in: „Verhandlungen der Abteilung Berlin-Charlottenburg“ der Deutschen Kolonialgesellschaft, 1903/04, Bd. 8, Heft 3, Berlin 1905. Wuppertal 2008, ISBN-13 978-3-83702-635-1, BoD, Books on Demand GmbH, Norderstedt mit 44 Seiten, 18 Karten und Abbildungen. Im Buchhandel für 4,95 EUR erhältlich. |
|
Vor 110 Jahren setzte die Entscheidungsschlacht bei Omdurman (2. September 1898) den Schluss-Strich unter das sogenannte "Mahdi-Reich" im oberen Niltal. Britische Truppen unter Herbert Kitchener vernichteten in einer sehr verlustreichen Schlacht - die in der Militärgeschichte als die letzte Schlacht mit großen berittenen Verbänden gilt, bei der gleichzeitig moderne Artillerie und Maschinengewehre eingesetzt wurden - die Armee der Gotteskrieger. Während auf ägyptisch-britischer Seite 482 Getötete und Verwundete gezählt wurden, hatten jene 9.700 Tote und 16.000 Verwundete zu beklagen. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Muhammad Ahmad ibn as-Sayyid Abdallah, hatte sich intensiv mit dem Islam auseinandergesetzt und den Koran studiert. Er selbst bezeichnete sich ab 1881 als so genannter "Mahdi", das heißt im Islam: der von Allah gesandte Messias, der das Unrecht auf der Welt beseitigen wird. Der Mahdismus war im Kern eine Reformbewegung gegen Korruption, Dekadenz und Fremdherrschaft, der als Gedankengebäude zugrunde lag, dass nur die Hinwendung zu Gott und zum rechten Glauben Abhilfe bringen würde. Ab 1881 hatte sich der sogenannte "Mahdi" gegen die osmanisch-ägyptische Herrschaft erhoben und konnte auf eine schnell wachsenden Gefolgschaft zählen. Jeder Erfolg trieb der Bewegung neue Anhänger zu. Binnen zwei Jahren befand sich ein großes Gebiet, das sich in etwa vom Roten Meer bis nach Darfur erstreckte, im Aufstand; es sollte allerdings noch dreieinhalb Jahre dauern, bis Muhammad Ahmad Khartum erobern konnte. Dieses Gebiet, das spätere "Reich des Mahdi", lag im sogenannten ägyptischen Sudan, der erst ab 1820 sukzessive zu Ägypten gekommen war. Ägypten, dass gerade in dieser Zeit unter wirtschaftlichen Krisen, einer schwachen Regierung und unter Militäraufständen litt, geriet - nachdem sich bereits zuvor europäische Gläubiger Einfluss gesichert hatten - ab 1882 vollständig unter britische Vorherrschaft. Wenngleich die Ägyptische Regierung den Aufständischen nichts entgegenzusetzen hatte, so waren es letztlich widerstreitende europäische Interessen, die dem Mahdi-Reich - quasi als "Nebenprodukt" - den Garaus machten. Es waren die sich diametral entgegenstehenden Interessen Frankreichs und Englands, die den Anstoß zu kriegerischen Auseinandersetzungen gaben. Während Frankreichs koloniale Interessen auf ein großes Gebiet in West-Ost-Richtung zielten, verfolgte England seine Nord-Südpläne mit einer Achse von Kairo zum Kap. Just im Schnittpunkt dieser Pläne lag das Mahdi-Reich. Ergänzend sei zu erwähnen, dass auch Italien, das bereits Interessen in Eritrea verfolgte, sich anheischig machte, sein Kolonialgebiet weiter auszudehnen. Die Folge war, dass von Seiten Englands ab 1896 ein Rückeroberungskrieg betrieben wurde mit dem Ziel, den sogenannten ägyptischen Sudan wieder herzustellen. Dieser Krieg wurde mit ungeheurem Aufwand betrieben und endete mit der bereits erwähnten Entscheidungsschlacht von Omdurman. E. Dagobert Schoenfeld, ehemals evangelischer Pastor und späterer Wissenschaftler, bereiste 1903 aus eigenem Impetus Eritrea und den Sudan, gerade einmal fünf Jahre nach Untergang des Mahdi-Reiches. Über diese Reise veröffentlichte Schoenfeld 1904 sein Buch Erythräa und der ägyptische Sudan. Am 12. Dezember 1904 - vermutlich als Werbung für seine Veröffentlichung gedacht - hielt er über diese Reise einen Vortrag vor der Abteilung Berlin-Charlottenburg der Deutschen Kolonialgesellschaft mit dem Thema: Die mohammedanische Bewegung im ägyptischen Sudan. Später erfolgte in den Schriften der Kolonialgesellschaft ein Abdruck, der dieser Schrift zugrunde liegt. Anders als andere Reiseschriftsteller seiner Zeit war Schoenfeld sehr bemüht, gerade auch Bilder aus dem Leben der einfachen Bevölkerung zusammenzutragen, über die er mit Liebe und großer Detailfreude berichtet. Mit großem Respekt begegnete er - der evangelische Theologe - dem Islam. In seiner Zeit, mit ihrem damals üblichen eurozentrischen Denken, bemühte er sich darum, mit unverstelltem Blick und als wohlwollender und genauer Beobachter Land und Leute zu erleben und zu schildern. |