Einführung

Eine der vielen Umwälzungen und Neuerungen des 19. Jahrhunderts war die Herausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft und einer Bürgerlichen Kultur. Der Bürger entdeckte viele Bereiche für seine Privatsphäre, die bislang vor allem vom Adel beansprucht worden waren, -eine allmähliche Entwicklung, die schon mit dem Ende des 18. Jahrhunderts begonnen hatte. Dazu zählen vor allem die Wohnkultur, die Musik, das Theater und die Literatur.

Damals aber galt:  Der Wunsch, im eigenen und damit privaten Bereich Musik zu hören, setzte voraus, selber musizieren zu können. Vor allem das Klavier diente den bürgerlichen Familien als Universal-Instrument und schon bald war das Klavierspielen ein selbstverständlicher Bestandteil des bürgerlichen Bildungsideals.

In gleichem Maße wie sich die bürgerliche Gesellschaft den Klavieren und Flügeln zuwandte, bezog sie beim Streben nach einer harmonischen, fein aufeinander abgestimmten Möbilierung ihrer Wohnräume, diese Großinstrumente mit ein. Nicht nur die den Instrumenten eigenen, besonderen und geschätzten Klangqualitäten waren von Bedeutung, sondern das Gehäuse sollte sich in die Wohnstuben und Salons einfügen. Damit wurden die Instrumente als Bestandteil der bürgerlichen Wohnkultur in ihrem Äußeren dem jeweiligen Zeitgeschmack unterworfen. - Alle die für den Möbelbau geltenden Gestaltungsmerkmale, waren von den Klavier- und Flügelfabrikanten mitvollzogen worden. Mit sicherem Gespür erhielt die Kundschaft genau das Instrument, was sich ihrer jeweils präferierten Stilrichtung bis ins Detail anzupassen wußte.

Der Brockhaus aus dem Jahre 1904 vermerkte, daß „Ibach der erste [war], der die plumpe Form des Pianinos künstlerisch edel ausgestaltet“ habe. Und aus der Jubiläumsschrift, mit der sich das Haus Ibach 1894 zum 100sten Geburtstag beschenkte, erfahren wir, daß Ibach zur Weltausstellung in Wien 1873 einen „Schritt in das Reich des Schönen wagen“ wollte und dort ein auch in seiner äußeren Gestalt außergewöhnliches Instrument vorstellte.  Diese Weltausstellung von 1873 markiert tatsächlich einen Meilenstein auf dem Weg zur bis heute mit Unterbrechungen beibehaltenen Tradition des Baues herausragender Sonder- und Luxusgehäuse: vor internationalem Publikum durfte eine Verdienstmedaille entgegengenommen werden, die höchste dort vergebene Auszeichnung. Allerdings liegt der Ausgangspunkt dieses Weges bereits in früheren Zeiten.

Schon zu Zeiten des Firmengründers Adolf Ibach, bemühte sich die Firma, ihren Kundenkreis auch außerhalb des Wuppertales zu finden. Insbesondere pflegte man die Kontakte in den Rhein-Maas-Raum, in den u.a. auch verschiedene Kirchenorgeln abgesetzt wurden. Unter Adolfs Söhnen Carl Rudolf und Richard waren die Orgel-Aufträge für die unter Friedrich Wilhelm IV. wiedererrichtete Burg Stolzenfels und für die Basilika in Trier ein besonderer Clou.

Gerade Stolzenfels bot eine Fülle von Anregungen, denn abgesehen von der Verwendung von Antiquitäten, traten dort im Zuge der Neuausstattung hervorragenden Handwerker und Künstler des Rheinlandes aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf, um die Anlage mit Mobiliar auszustatten.  Zu nennen ist hier vor allem die Werkstatt von Johann Wilhelm Vetter aus Neuwied.  Darüber hinaus wurden auch Kräfte aus Berlin, München und Lyon herangezogen; „in und um Koblenz hob sich das Handwerkerniveau schlagartig“.

Bei Ibach liegen die Anfänge auf dem Gebiet der künstlerischen Gehäusegestaltung sehr früh, nachweislich schon 1845, wo expressis verbis Bildhauerarbeiten an Instrumenten genannt sind: Instrumente Nrn. 1612 und 1613.  Zur gleichen Zeit bediente man sich neben eigener Schöpfungen auch französischer Vorbilder, hier: Verzierungen des Oberrahmens nach dem Pariser Klavierbauer Erard (ursprünglich Erhard aus dem Elsaß).

Früh war Ibach auf nationalen, dann auch auf internationalen Ausstellungen vertreten,   wo für technisch-musikalische Verbesserung Preise gewonnen wurden. So wurde bereits 1854 das erste Instrument mit 7 Oktaven produziert und im Jahr 1869, auf der Ausstellung in Altona, das erste kreuzsaitige Ibach-Pianino vorgestellt.
Wichtige Ausstellungen dieser Zeit mit Ibach-Teilnahme waren Aachen (1843), Düsseldorf (1852) und die Weltausstellung in London (1862).  Schon früh bestand Kontakt zu den renommierten Kölner Kunst-Werkstätten von Heinrich Pallenberg.
 
Ein allgemeiner Anstoß für die Klavierhersteller, zu wesentlichen Verbesserungen in der Gehäusegestaltung zu kommen, mag sich vor allem ab 1851 durch die Weltausstellungen ergeben haben, die aus wirtschaftlichem Interesse und nationalem Geltungsbedürfnis geplant wurden und insbesondere der Selbstdarstellung dienten. Gerade hier mußten die deutschen Unternehmer sehen, welch ein Gefälle unter den Anbietern bestand. Außereuropäische, rein handwerklich gefertigte Produkte, überflügelten die der Alten Welt deutlich; nur Frankreich, daß über dem europäischen Durchschnittsniveau stand, konnte hier noch mithalten.  Als Folge setzte, beginnend in England, eine Bewegung zur Hebung der Qualität ein, insbesondere durch: Gründung von Kunstgewerbeschulen, Anlage von Sammlungen, Veranstaltung von Ausstellungen.

Allerdings tat sich nicht Ibach allein auf dem Sektor künstlerisch -nach Zeitgeschmack- gestalteter Instrumente hervor. Neben einigen anderen Firmen war es auch das damals sehr junge Unternehmen von Carl Bechstein aus Berlin, das auf der Weltausstellung 1867 in Paris unter großer Pressebeachtung ein Renaissance-Klavier präsentierte, aus Nußbaum mit Ebenholzschnitzerei und einem dominierenden Mozartmedaillon.

Gerade zu dieser Zeit hatte Ibach begonnen, Instrumente mit Komponisten wie z.B. Mozart oder Beethoven zu schmücken, wahlweise als Büste oder Medaillon, mit und ohne (Lorbeer-) Kranz.  Man folgte damit der ausgeprägten Künstlerverehrung dieser Zeit.  Als Zierde dienten Ibach weiterhin besondere Füllungen oder Schnitzereien im „Renaissance-Styl“, namentlich schon 1865 erwähnt.
 
Hauskünstler der Firma Ibach war der (Wuppertal-) Elberfelder Holz-Bildhauer Heinrich Stöwener vom Obergrünewalder Berg 17,  der in den 1860er Jahren begonnen hatte für Ibach zu arbeiten. Nicht nur das Schnitzwerk stammte von ihm, spätetesten zu Beginn der 1870er Jahre lieferte er auch Entwürfe, die dann im Haus Ibach umgesetzt wurden oder er versah fertige Instrumente, die ihm ins Haus geliefert wurden, mir einer Gravur. Ebenso entwarf er Gußteile, wie Griffe oder Leuchter; daß er auch Zeichnungen für komplette Instrumente anfertigte, scheint denkbar.  Die Zusammenarbeit mit Stöwener währt bis zu Beginn der 1880er Jahre. Neben den selbst hergestellten kunsthandwerklichen Zierelementen wurden auch Fertigteile auswärtiger Firmen verwandt, wie Konsolen von Kindt (Münster) oder Hille (Weimar) und Säulen von Stöckle (Köln).

Die zielgerichte Hinwendung der Firma Ibach zu besonders gestalteten Instrumenten wird sicher vielfältige Gründe gehabt haben. Zu erwähnen ist die rechtliche Umstrukturierung der Firma im Jahre 1869: die Teilung von Orgel- und Klavierbau. Die Klavier- und Flügelproduktion wurde nun durch den jungen P.A. Rudolf Ibach (1843-1892) unter der Firmenbezeichnung „Rud. Ibach Sohn“ betrieben. Der junge Unternehmer hatte nachweislich ein sehr starkes künstlerisches Interesse, wovon nicht nur eine Fülle erhaltener Zeichnungen, sondern auch die hinterlassene Korrespondenz mit Angehörigen der Düsseldorfer Akademie und anderen Künstlern aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeugen.

Die Weltausstellung in Wien wurde von Ibach mit 3 Instrumenten beschickt, einem Flügel, einem Klein-Klavier sowie einem "Pracht-Instrument" nach einem Entwurf des Berliner Architekten und Baumeisters Schäffer.

Die hohe Anerkennung, die Ibach durch Wien zu Teil wurde und die daraus entstandene Publizität, führten in der Folge zu einer regen Ausstellungstätigkeit. Es folgten 1876 die Weltausstellung in Philadelphia  (zum 100sten Geburtstag der USA), 1879 die Weltausstellung in Sydney, im gleichen Jahr in Dresden die „Ausstellung für die Jugend“, 1880 eine internationale Ausstellung in Melbourne,  sowie die große Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf von 1880.

Unsere virtuelle "Ausstellung" zeigt eine Auswahl von historischen und besonders eigentümlichen Ibach-Instrumenten, dazu Flügel und Pianinos nach Entwürfen von Architekten und Künstlern, berühmten und auch weniger bekannten.

Namentlich feststellen ließen sich folgende Architekten und Künstler, die als Designer für Ibach tätig waren:
Wilhelm Bäumer, Willy von Beckerath, Peter Behrens, Werkstätten Bembé, Bendixen-Koch, Hendrick Petrus Berlage, Richard Berndl, Emil Beutinger, Arthur Biberfeld, Hermann Billing, Peter Birkenholz, Friedrich Blume, Rudolf Bosselt, Fritz Breuhaus de Groot, Joseph Theodorus Johannes Cuypers, Thomas Leverton Donaldson, Otto Eckmann, Franz Klemens Ewerbeck, Willibald Ferber, Alfred Fischer, Gustav Goerke, Ferdinand Götz, Alfred Frederik Grenander, J. Grünig, Albert Haberer, Anton Huber, Patriz Huber, César C. R. A. Klein, Erich Kleinhempel, Klischowsky, Edmund H. Georg Körner, Wilhelm Kreis, Karl Kuebart, Richard Meier, Karl J. Moßner, Albin Müller, Hermann Muthesius, Philipp Niederhöfer, Else Oppler-Legband, Werkstätten Pallenberg, Bernhard Pankok, Franz Pankok, Bruno Paul, Willem Penaat, Werkstätten Pfaff, Werkstätten Phönix, Werkstätten Pössenbacher, Werkstätten Prächtel, Wilhelm Pütz, Wilhelm Reutter, Gustav Reyscher, Richard Riemerschmid, Emil Rockstroh, Heinrich Schäffer, Bruno Schmitz, Paul Schulze-Naumburg, Emanuel von Seidl, Seubert, Werkstätten Bernard Stadler, Curt Stoeving, Heinrich Vogeler, Carl Walter, Hermann Werle, Heinrich Wiethase, Hans Wildermann, Heinrich Winkler, Hermann Winkler, Vincent Wisniewski.
Entwürfe für Gehäuseteile: Prof. Franz Metzner, Prof. Heinrich Schwabe, Fa. Leopold Ramin
Hausentwürfe: Frielinghaus, Winkler, Stöwener

Von etlichen der hier genannten Architekten und Künstlern sind Instrumente in unserer "Ausstellung" zu sehen!

Es bedurfte meist  sehr aufwendiger Recherchen, teilweise durch intensives Studium historischer Kunst- und Architekturzeitschriften, um wenigstens einen Teil der vielen historischen - meist leider unbeschrifteten - Instrumentenabbildungen einem Architekten oder Künstler sicher zuordnen zu können. Viele Entwürfe wurden besonders prämiert und fanden daraufhin ein Echo in der damaligen einschlägigen Fachpresse. - Bei der Beurteilung der Fotoqualität weisen wir darauf hin, daß es sich überwiegend um alte Aufnahmen aus dem vorigen Jahrhundert und den Jahren vor 1914 handelt.
F.S.
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