Mathildenhöhe Darmstadt
 
 

Alexander Koch und die Darmstädter Mathildenhöhe

Der Verleger Alexander Koch, Herausgeber wichtiger Kunstzeitschriften wie "Deutsche Kunst und Dekoration" und "Innendekoration", gab mit seiner Denkschrift an den Großherzog Ernst Ludwig von Hessen 1898 den entscheidenden Impuls zur Gründung der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, einem der bedeutendsten Zentren des Jugendstils in Deutschland. Koch hatte sich zum Ziel gesetzt, Darmstadt neben München zum Mittelpunkt des Kunstgewerbes in Deutschland zu machen.  Die ersten sieben Künstlern, die in Darmstadt wohnen und arbeiten konnten waren Hans Christiansen, Josef Olbrich, Peter Behrens, Rudolf Bosselt, Patriz Huber, Paul Bürck und Ludwig Habich. 
Der Kontakt zwischen Ibach und Koch muß schon recht früh bestanden haben. Denkbar ist, daß er über Bernhard Wenig entstand, der den Einband des Ibach-Jubiläumsbuches von 1894 schuf und der schon in der ersten Ausgabe der „Deutschen Kunst und Dekoration“ mehrfach vertreten war. Möglich ist aber auch, daß Koch auf Ibach durch die früheren Wettbewerbe aufmerksam wurde.  Besonders der Wettbewerb für Jubiläumsblätter im Jahre 1893  wurde von Koch mehrfach lobend herausgehoben.  In Zusammenarbeit von Ibach und der Deutschen Kunst und Dekoration entstand 1899 der Aufruf zum (3.) Gehäusewettbewerb für Pianinos. 
Über Alexander Koch wird sich möglicherweise der Kontakt zu fünf der Darmstädter Künstler entwickelt haben, die in der Folge für Ibach tätig wurden: Christiansen, Bosselt, Olbrich, Behrens und Huber. Während Hans Christiansen Werbevorlagen entwarf, entwickelten seine Kollegen "ihr" spezielles Instrumentengehäuse. 
Eine weitere Zusammenarbeit zwischen Ibach und Koch erfolgte anläßlich der Ibach-Plakat-Wettbewerbe in den Jahren 1904/05 und 1914, die über die Deutsche Kunst und Dekoration abgewickelt wurden. 

 
Der jüngste der Darmstädter Künstler war Patriz Huber. Für seinen Flügelentwurf - ein Einzelstück für Alexander Koch - ließ er von dem Bildhauer Franz Metzner, der ebenfalls von Koch "entdeckt" worden war und von ihm gefördert wurde, die Reliefs auf den Seiten des Instrumentes anfertigen. Sie waren betitelt: „Greis mit Jüngling“ sowie „Spielende Kinder“. 
 Erst nach dem Freitod Hubers konnte der Flügel fertiggestellt und im Dezember 1902 an Alexander Koch ausgeliefert werden; er hatte zu diesem Zeitpunkt einen Wert von 1870 Mark. Das Instrument verblieb im Besitz der Familie Koch bis zum Jahr 1922, als es bei Ibach eingetauscht wurde.  Der Flügel wurde direkt an die Ibach Vertretung Heinrich Arnold in Darmstadt weitergegeben. Der weitere Verbleib war lange Zeit unbekannt, erst im Jahre 2001 wurde das Instrument in Dänemark wiederentdeckt. Zu dem Flügel haben sich Vorentwürfe und Entwürfe erhalten, die heute im Institut Mathildenhöhe verwahrt werden. 
Huber Entwurf
Patriz Huber
Entwurf
 
Patriz Huber
Patriz  Huber
"Flügel in Grau"
Metzner Relief
Franz Metzner Relief

Patriz  Huber
 
Relief Metzner
Franz Metzner Relief

Flügel für das Empfangszimmer von Alexander Koch Instrument Nr. 41645, Mod. 39, Ahorn, Wert: 1870 Mk, geliefert am 1.12.1902, Rücknahme am 10.3.1922.
 
Ein Entwurf von Joseph Olbrich für IBACH befindet sich heute in Kunstbibliothek in Berlin. Er war geplant zur 1. Darmstädter Ausstellung 1901, wurde von Ibach aber nicht gebaut. 
 
Der Ursprung der Kontakte zwischen Ibach und Rudolf Bosselt, dem Bildhauer und Medailleur auf der Mathildenhöhe, ist unklar, liegt wahrscheinlich aber in Bosselts Darmstädter Zeit. Dort war Bosselt unter anderem an der Realisation des Empfangszimmers für Alexander Koch (Ibach-Huber Flügel) mit Bronzereliefs beteiligt. Später war Bosselt gemeinsam mit Peter Behrens in Düsseldorf an der Kunstgewerbeschule tätig. Bosselts Entwurf zu einem Piano ist schlicht und beinahe zeitlos zu nennen, scheint wohl in seiner Düsseldorfer Zeit angefertigt worden zu sein. Ibach baute das Instrument in Serie, auch in Variationen, und nahm es in die damaligen Werbeprospekte auf (Bezeichnung AK oder auch Krönungsmodell). Ein Exemplar der von Bosselt für seinen Pianinoentwurf  geschaffenen Bronze ist heute im Museum Mathildenhöhe in Darmstadt.
Rudolf Bosselt



Rudolf Bosselt
Auch das Zustandekommen der Verbindung zu Peter Behrens ist zeitlich noch nicht eindeutig geklärt, denn die Wege von  Ibach und Behrens haben sich mehrfach gekreuzt. So können sich bereits zu Behrens Studienzeiten an der Düsseldorfer Akademie bei Brütt (mit dem Ibach Kontakt hatte), oder zu Darmstädter Zeiten, als auch später kennengelernt haben, als Behrens Direktor der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule war (1903-07). Die Zusammenarbeit liegt aber sicherlich in der Düsseldorfer Zeit, als der Allround-Künstler und Architekt auch für Karl-Ernst Osthaus in Hagen arbeitete.   [ siehe dazu auch Info ]
Im Jahre 1905, vielleicht auch schon 1904, legte Behrens bei Ibach Pläne für ein Pianino und einen Flügel vor, von denen bei Ibach jeweils mindestens 2 Instrumente in hellem und in dunklem Holz gebaut wurden.  Bereits 1905 wurden die zwei Klaviere fertiggestellt. Das  Instrument 48068 P 73 in italienischem Nußbaum dunkel mit weißen Birnbaumeinlagen verließ die Fabrik am 25.3.1905. Prof. Curt Stoeving, künstlerischer Leiter bei A. Wertheim in Berlin, präsentierte das Instrument auf der im April 1905 in diesem Kaufhaus eröffneten Ausstellung „A. Wertheim - Neue Wohn-Räume, Neues Kunstgewerbe“.  Das zweite Instrument, Nr. 48067 P 73, allerdings in hellem, rötlichen Amarant (Bischofsholz) gefertigt, ging am 23.8.1905 auf eine  Ausstellung in Bremen, anschließend auf die Weltausstellung in Mailand 1906, von wo aus es wahrscheinlich in Italien verblieb. Bei dem am 7.8.1907 nach Moskau an die Ibach-Vertretung Müller verkauften Instrument 54256 P 73 in Mahagoni, Entwurf Peter Behrens, handelt es sich wahrscheinlich um ein drittes, nach diesem Entwurf gebautes Instrument. Hinweis ist die die Abbildung aus einem Katalog der Firma Müller-Moskau.  - Ibach hat diesen Behrens Entwurf innerhalb seiner Jubiläums-Edition 1994 wieder (limitiert) aufgelegt. 
Der Behrens´sche Flügelentwurf  wurde erst im Winter 1905/06 realisiert. Hierbei handelt es sich um einen großen Richard-Wagner-Flügel (Konzertflügel), der ebenfalls in zwei verschiedenfarbenen Holztönen gebaut wurde. Das Instrument Nr. 50826, Fl 14a mit Patentstiften in Palisander mit schwarzen Birnbaumintarsien, ging am 30. Juni 1906 auf die Kunstausstellung nach Köln. Dort wurde es am 10.10.1906 an Bürgermeister Dr. Fuchs für 6000 Mk verkauft, wobei unklar bleibt, ob Fuchs das Instrument für die Ausstellungsleitung (zur Verlosung o.ä.), für seine Stadt, oder für sich als Privatmann erwarb. Das zweite Instrument dieses Entwurfs war der Flügel Nur. 50827 Fl 14a Nuß mit echten Ebenholzintarsien. Er ging am 28.5.1906 auf die 3. Deutsche Kunstgewerbe Ausstellung nach Dresden, wo er den Behrens-Musiksaal krönte. Mehrfach wurde er in der Presse  ausführlich vorgestellt.  Von dort kam er im November zurück und wurde am 4.4.07 der Kölner Vertretung zum Verkauf überstellt. Über dieses Instrument schrieb Ernst Zimmermann in der Deutschen Kunst und Dekoration:
"...Den vollen Gegensatz zu diesen beiden Leistungen [Entwürfe von Grenander und Pankok für Konkurrenzfirmen] bildet der Flügel von Peter Behrens in seinem Musiksaal. Hier ist, entsprechend seiner jetzigen dekorativen Neigung, die Kurve, so weit es ging, völlig in die gerade Linie umgesetzt worden. Nur auf der rechten Seite zeigt sich eine Krümmung. Daneben ist an die Stelle der drei Füße eine Pilasterstellung von je drei Pfeilern getreten und auch das Pedal hat, wie die ganze Ornamentik, verwandte Formen angenommen. Ähnliche Gestaltungen haben Fritz Schumacher und Erich Kleinhempel versucht. Doch der Behrens´sche Versuch ist in dieser Art der konsequenteste.
 
[ Weitere Links und Informationen zu Peter Behrens ]

 

Peter Behrens
Entwurf 1904/05
Wiederaufnahme
1994

 
 
 
Peter Behrens
Peter Behrens
Entwurf 1905/06


 
 
 
III. Deutsche
Kunstgewerbe-
ausstellung
Dresden 1906
Die Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe erlebte einen raschen Wechsel der Künstler. Behrens ging unmittelbar nach der Ausstellung 1901, Christiansen und Huber 1902, Bosselt dann 1903. Im Jahre 1906 hatten bis auf Olbrich alle Künstler der ersten Stunde Darmstadt verlassen, dem Jahr, als dort Albin Müller einzog, der nach Olbrichs Tod führender Kopf der Kolonie wurde.